Artikel | 07.07.2025

Epilepsie und KI: Von der Diagnose zur Prävention

Der Epileptologe Prof. Dr. med. Lukas Imbach und der Neuropsychologe Prof. Dr. Hennric Jokeit setzen auch auf künstliche Intelligenz, um die Diagnostik und Behandlung von Epilepsie voranzubringen.

Herr Professor Imbach, wie kann KI helfen, epileptische Anfälle präziser vorherzusagen?
Erstens zeigen viele Betroffene vor einem Anfall charakteristische Verhaltensänderungen, die sich durch digitale Biomarker erfassen lassen, etwa veränderte Bewegungsmuster oder Lautäusserungen. Zweitens interessiert sich die Forschung dafür, epileptische Anfälle anhand von Veränderungen der Hirnströme im EEG vorherzusagen. KI-gestützte Algorithmen analysieren diese Daten, um Risikomuster zu erkennen und frühzeitig vor einem Anfall zu warnen.

KI könnte somit epileptische Anfälle verhindern…
Das ist unser langfristiges Ziel. Durch gezielte Hirnstimulation oder die lokale Freisetzung eines anfallsunterdrückenden Medikaments könnte es möglich werden, einen Anfall aktiv zu verhindern. Erste Forschungsansätze zeigen vielversprechende Ergebnisse, aber der Weg bis zur breiten klinischen Anwendung ist noch lang.

Herr Professor Jokeit, welcher digitale Biomarker ist vielversprechend?
Die grössten Fortschritte bringt wohl nicht ein einzelner Biomarker. KI ermöglicht es, diverse physiologische und verhaltensbezogene Daten zu integrieren – etwa die Häufigkeit sozialer Interaktionen, Herz-Kreislauf-Veränderungen, hirnelektrische Aktivität oder sogar Muster in der Smartphone-Nutzung, wie Tippfehler. Diese ganzheitliche Betrachtung könnte neue Erkenntnisse über Mechanismen und Auswirkungen von Epilepsie liefern.

Der Beginn einer neuen Ära...
Ja, diese Technologien werden die Epileptologie nachhaltig verändern. Digitale Biomarker und KIgestützte Systeme ermöglichen ein kontinuierliches Monitoring wichtiger Gesundheitsparameter im Alltag der Patient:innen.

Ein «digitales Gehirnmonitoring», das Menschen mit Epilepsie ein völlig neues Leben ermöglicht, Herr Professor Imbach?
Einige wenige Patient:innen profitieren bereits heute von Technologien wie der tiefen Hirnstimulation. Die nächste Generation dieser Geräte wird adaptiv arbeiten: Die Stimulation wird nur dann aktiviert, wenn ein Anfall tatsächlich droht. Solche Systeme könnten in Zukunft vor Anfällen schützen und so die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern.